Blut und Harz by Leibig Timo

Blut und Harz by Leibig Timo

Autor:Leibig, Timo [Leibig, Timo]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-02-03T23:00:00+00:00


Kapitel 14

Jagende Wolken -

Wogendes Grün -

Azurblauer Himmel -

Saftige Wiesen.

Elias wirbelte durch die Luft. Es schien, als sei er jahrzehntelang dahingeschossen. Er überschlug sich, drehte einen Salto nach dem anderen. Mit wild rudernden Armen versuchte er seinen Flug zu kontrollieren, doch es gelang ihm nur mühsam. Ihm war schwindlig. Alles drehte sich.

Ständig wechselte oben und unten. Die Welt stand Kopf.

Grün – blau – grün - blau.

Er biss die Zähne zusammen und nutzte seine Arme wie ein Hochseiltänzer auf dem Drahtseil. Nach schier endlosen Versuchen des Ausbalancierens schaffte er es. Er konnte seine Purzelbäume stoppen, sich in eine stabile Lage bringen. Der Himmel blieb endlich über seinem Kopf haften und unter ihm schoss ein unendliches Meer aus sich wiegenden Ähren dahin.

Er seufzte erleichtert. Dabei stellte er nüchtern fest, dass er immer noch an Höhe gewann. Wie der Lügenbaron von Münchhausen surrte er auf einer Kanonenkugel durch die Luft, doch er saß auf keinem eisernen Geschoss. Er flog einfach dahin, sein Flug einer ganz flachen Parabel gleich, und er hatte den Scheitelpunkt noch nicht erreicht.

Am Horizont trennte eine dunkelgrüne Linie das saftige Grün und den leuchtenden Himmel voneinander, über den einsame Wolken gesponnen waren. In alle anderen Richtungen erstreckte sich das monumentale Getreidefeld dahin, wurde von frischen Windböen in gewaltigen Wellen nach unten gedrückt um nur sofort wieder nach oben zu schnellen. Es glühte regelrecht in allen nur erdenklichen Grüntönen.

Die Ernte dieses Feldes könnte die gesamte Welt satt machen, sinnierte Elias, während er darüber hinweg glitt. Der frische Wind zerzauste sein Haar und rötete seine Wangen. Getreide. Essen. Hunger? Bin ich hungrig? Sein Magen rumorte. Was mache ich hier eigentlich? Wieso fliege ich durch die Lüfte?

Plötzlich änderte sich die Landschaft, so abrupt, wie wenn jemand den Schalter bei einem Diaprojektor umgelegt hätte. Unter ihm sauste nun ein Maisfeld dahin. Die Kolben hingen prall und fett in überreifen Blättern daran, die schwarzen Fäden tanzten im Wind. Die Stauden färbten sich bereits braun, ausgewachsen am Ende des Sommers, kurz vor ihrem Tod im Herbst.

Staunend starrte Elias nach unten auf die neue Gegend. Was war passiert? Wo war er?

Hinter ihm erscholl ein Geräusch, ließ ihn den Kopf drehen. Etwas raschelte, dazu mischte sich ein natürliches Stampfen. Elias kannte den Sound aus dem Fernsehen: Mit Eisen beschlagene Hufe von Reitern donnerten in fest gestampfte Erde. Doch Reiter sah Elias keine. Stattdessen knickte etwa fünfzig Meter in seinem Rücken der Mais ein wie labbrige Grashalme. Es war nur eine schmale Spur, wie wenn ein Kleinwagen hindurchbrechen würde. So sehr er den Kopf reckte und streckte, er konnte aber nicht erkennen, was dort durch das Feld preschte. Elias wusste nur, dass es näher kam. Und es war schnell, verdammt schnell.

Seine Nackenhaare stellten sich auf und ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken, den nicht einmal der warme Sonnenschein vertreiben konnte. Er starrte nach vorne, doch er flog unbeirrt weiter. Der dunkelgrüne Strich am Horizont war genauso weit entfernt wie vor ein paar Minuten.

Das Geräusch der knickenden Maisstauden, die mit brachialer Gewalt in den Boden gestampft wurden, kam näher. Das Etwas war vielleicht noch dreißig Meter entfernt.



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